Dr. Jankowska:
Bereits 2016 haben die Leitlinien der European Society of Cardiology Heart Failure Association erstmals die Empfehlung eingeführt, jeden Patienten mit Herzinsuffizienz auf Eisenmangel zu untersuchen. Was sehr wichtig ist: Die Bedeutung der Untersuchung auf Eisenmangel wurde auf die gleiche Signifikanzebene gesetzt wie die Untersuchung auf Diabetes oder Schilddrüsenfunktionsstörung; wir sollten also unbedingt jetzt die Frage erneut stellen: Warum ist Eisenmangel so wichtig und wie steht er mit Herzinsuffizienz in Verbindung?
Ich begrüße Sie zur CME-Fortbildung auf ReachMD. Ich bin Ewa Jankowska, und mein heutiger Gast für ein Gespräch über Eisenmangel im Zusammenhang mit Herzinsuffizienz ist Dr. Stefan Anker. Willkommen im Programm.
Dr. Anker:
Vielen Dank.
Dr. Jankowska:
Dr. Anker, warum glauben Sie, ist Eisenmangel so wichtig für Herzinsuffizienz? Kommt er häufig vor? Ist er wichtig für Ergebnisse? Wie denken Sie darüber?
Dr. Anker:
Ja, das trifft alles zu. Eisenmangel kommt häufig vor. Eisenmangel ist mit einer schlechten Lebensqualität, mit Symptomen und einer schlechten Prognose verbunden. Eisenmangel ist etwas, das Sie wirklich bei Ihren Patienten erkennen und berücksichtigen müssen, wenn diese symptomatisch sind und Sie glauben, dass ihre Prognose sich verschlechtert. Eine solche Beurteilung ist für den Patienten und seine Behandlung vorteilhaft und sollte ein wesentlicher Bestandteil sein; genau wie Sie schon sagten, wie die Untersuchung auf Diabetes, denn wir können etwas dagegen tun und dadurch etwas bewirken. Ein Diagnosetest, der eine therapeutische Konsequenz hat, das ist es, wonach wir suchen, und das ist bei Eisenmangel möglich.
Dr. Jankowska:
Was ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz häufiger, Eisenmangel oder Anämie?
Dr. Anker:
Nun, die Antwort ist tatsächlich sehr einfach. Eisenmangel ist sehr viel häufiger als Anämie. Abhängig von den exakten klinischen Umständen tritt Anämie bei Patienten mit Herzinsuffizienz bei etwa 3 bis 5 % der ambulant stabilen Patienten auf und kann allenfalls 10 bis 20 % der hospitalisierten Patienten betreffen. Grundsätzlich sehen wir bei Patienten mit Herzinsuffizienz Eisenmangel häufiger, eher im Bereich von 30 bis 40 % der Patienten, die nicht anämisch sind, und etwa 50 bis 60 % der anämischen Patienten. Insgesamt würde ich sagen, ist Eisenmangel 5- bis 10-mal häufiger bei Herzinsuffizienz als Anämie.
Dr. Jankowska:
Wir sollten auch Patienten auf Eisenmangel untersuchen, die einen normalen Hämoglobinwert haben. Ist das richtig?
Dr. Anker:
Ja, unbedingt. Wir sollten Patienten, unabhängig vom Hämoglobinwert, auf Eisenmangel untersuchen, aber wir sollten dies wirklich auf symptomatische Patienten beschränken, wenn wir denn etwas beschränken wollen. Die Evidenz, einen positiven Unterschied für unsere Patienten bewirken zu können, liegt bei symptomatischen Patienten, und wenn wir uns an die Regel halten, dass ein Diagnosetest erfolgen soll, insbesondere wenn dieser eine therapeutische Konsequenz hat, sollten wir bei den symptomatischen Patienten bleiben. Aber dann berücksichtigen wir dies möglicherweise bei jedem und definitiv unabhängig von hohem oder niedrigem Hämoglobin.
Dr. Jankowska:
Es ist wirklich sehr wichtig, dass wir in der heutigen Zeit Eisenmangel mit einem anormalen Energiestoffwechsel und nicht nur mit einem niedrigen Hämoglobinwert verbinden. Sehen wir uns jetzt die kurze Animation an, die die Mechanismen zeigt, die zu den Folgen des Eisenmangels führen.
Sprecher:
Eisenmangel ist eine häufige Komplikation bei chronischer Herzinsuffizienz und mit beeinträchtigter körperlicher Belastbarkeit, verringerter Lebensqualität und einer schlechten Prognose assoziiert. Eisen ist für den Sauerstofftransport durch Hämoglobin maßgeblich. Eisen ist auch für die mitochondriale Energiegewinnung und die zelluläre Sauerstoffspeicherung wesentlich. Bei Eisenmangel kann der Hämoglobinwert normal sein oder sinken, was zu Anämie und Verlust der Sauerstoffzufuhr führt. Man nimmt an, dass Eisenmangel auch die Energiegewinnung in den Zellen mit hohem Energiebedarf verringert, wie der kardialen und skelettalen Myozyten. Sowohl Eisenmangel als auch Eisenmangelanämie können zur Verringerung der Herzfunktion und körperlichen Belastbarkeit beitragen. Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion kann die intravenöse Eisengabe helfen, um Symptome, Aktivitätsgrad und Lebensqualität zu verbessern.
Dr. Jankowska:
Für diejenigen, die sich gerade einschalten, Sie hören die CME-Fortbildung auf ReachMD. Ich bin Ewa Jankowska und ich spreche mit Dr. Stefan Anker über Eisenmangel bei Herzinsuffizienz-Patienten.
Dr. Anker, noch eine wichtige Frage: Wir basieren unsere Entscheidungen auf der Evidenz aus klinischen Studien. Können Sie dazu etwas sagen? Welche Beweise sind derzeit am wichtigsten, welche führten zur Erstellung der Leitlinien 2016 und was wissen wir jetzt, im Jahr 2020?
Dr. Anker:
Nun, die wichtigsten Nachweise stammen natürlich von unseren randomisierten klinischen Studien, in denen wir intravenöses Eisen, insbesondere Eisencarboxymaltose, verabreicht haben und die Ergebnisse mit jenen von Patienten verglichen haben, die keine Therapie oder einer Kochsalzinfusion als Placebo erhalten haben.
Diese Studien waren jedoch kleine Studien und dienten hauptsächlich dazu, herauszufinden, wie die Patienten ansprechen. Als diese Studien im Wesentlichen zeigten, dass Patienten mit und ohne Anämie durchschnittlich sehr gut ansprechen, wurde zuerst die FAIR-HF-Studie 2009 mit nur insgesamt 450 Patienten veröffentlicht, und, um die Ergebnisse aus dieser Studie zu bestätigen, konzipierten wir dann die CONFIRM-HF-Studie mit 300 Patienten. Die erste Studie lief über 6 Monate, die zweite über 1 Jahr und beide Studien zeigten in sehr ähnlicher Weise bei diesen Patienten eine Verbesserung der Symptome, Belastbarkeit, insbesondere beim 6-Minuten-Gehtest und in Bezug auf mehrere unterschiedliche Aspekte der durch Fragebögen beurteilten Lebensqualität. Das bedeutet, wir haben jetzt eindeutige, auf Wiederholungsstudien basierende Beweise, dass Symptome, Lebensqualität und körperliche Belastbarkeit sich verbessern, und diese Studien dienten dann als Grundlage für die diesbezügliche positive Empfehlung in den Leitlinien.
Dr. Jankowska:
In den Studien, die Sie erwähnten, wurde die intravenöse Eisensubstitution bei Patienten mit Herzinsuffizienz geprüft. Einige Leute denken, dass orales Eisen bei Herzinsuffizienz-Patienten auch funktionieren könnte. Haben wir diesbezüglich irgendwelche Beweise?
Dr. Anker:
Für orales Eisen liegt interessanterweise eine solche Studie vor, nämlich die IRONOUT-Studie. In der IRONOUT-Studie wurde orales Eisen vs. Placebo bei Herzinsuffizienz-Patienten untersucht, um festzustellen, ob Symptome, Lebensqualität und körperliche Belastbarkeit verbessert werden können oder nicht. Die klare Antwort lautet, dass mit oralem Eisen nichts davon erreicht werden kann, und dies liegt wahrscheinlich daran, dass orales Eisen nicht resorbiert wird.
Dr. Jankowska:
Ja, wir müssen hervorheben, dass die europäischen Leitlinien nur die intravenöse Eisensubstitution für Herzinsuffizienz-Patienten mit Eisenmangel empfehlen. Aber wenn wir uns die Identifizierung von Patienten mit Herzinsuffizienz ansehen, die von der intravenösen Eisensubstitution profitieren könnten, wie sollten wir Ihrer Meinung nach Patienten in der täglichen klinischen Praxis auf Eisenmangel screenen?
Dr. Anker:
Meiner Meinung nach ist ein Ferritinspiegel von weniger als 100 bei jedem chronisch kranken Patienten bereits für die Diagnose von Eisenmangel bei Herzinsuffizienz ausreichend, aber es gibt eine Alternative. Wenn das Ferritin ein wenig höher ist, bis zu 300, aber von einer Transferrinsättigung von weniger als 20 % begleitet wird, ist dies auch ein ausreichender Evidenzgrad für das Vorliegen von Eisenmangel. Also Ferritin weniger als 100 oder Ferritin 100 bis 300 plus TSAT unter 20 %.
Dr. Jankowska:
Da wir wissen, wie wir Eisenmangel mit sehr einfachen Parametern screenen und diagnostizieren können, was wäre Ihre Empfehlung zur Dosierung von intravenösem Eisen für Herzinsuffizienz-Patienten?
Dr. Anker:
Vielen Dank für diese Frage. Die Dosierung ist natürlich ein wichtiger Punkt, aber bei diesen Patienten ziemlich einfach. Die Basisdosis, die wir Herzinsuffizienz-Patienten mit Eisenmangel geben sollten, ist 1.000 mg. Wir fügen weitere 500 mg hinzu, wenn der Hämoglobinwert des Patienten unter 10,0 liegt, und weitere 500 mg, wenn das Körpergewicht über 70 kg liegt. Prinzipiell geben wir in der Korrekturphase insgesamt 1.000, 1.500 oder 2.000 mg. Wenn dies mit 2 Infusionen erfolgt, sollten diese mindestens 1 Woche auseinanderliegen und so erfolgen, dass der Patient am Ende die vollständige Korrektur erhält. Eine Nachuntersuchung des Patienten auf Eisenmangel erfolgt nach 3, 4 oder sogar erst nach 6 Monaten. In den ersten 8 Wochen sind die Ferritin- und Transferrinsättigung natürlich hoch und führen zu einer vollständigen Korrektur.
Dr. Jankowska:
Einige Menschen haben große Angst vor den Nebenwirkungen von intravenösem Eisen. Muss man vor der intravenösen Eisengabe Allergietests machen?
Dr. Anker:
Bei modernem intravenösen Eisen ist keine Anfangs- oder Testdosis erforderlich. Es reicht im Wesentlichen aus, eine langsame Infusion über 15 bis 30 Minuten mit den ersten 500 oder 1.000 mg durchzuführen, die der Patient erhalten soll, und dies reicht auch für die Beobachtung aus.
Dr. Jankowska:
Ja, und ich denke, es ist auch wichtig anzumerken, dass diese Behandlung aufgrund des sehr hohen Sicherheitsprofils sowohl für stationäre als auch ambulante Patienten zugelassen ist.
Dr. Anker:
Ich stimme Ihnen zu.
Dr. Jankowska:
Es besteht kein Zweifel an eindeutigen Beweisen dafür, dass intravenöses Eisen die Lebensqualität verbessert und Herzinsuffizienzsymptome verringert, aber es scheint viele Fragen zu geben, die beantwortet werden müssen. Gibt es Beweise dafür, dass intravenöses Eisen klinische Ergebnisse verbessern kann?
Dr. Anker:
Nun, ich würde sagen, dass solche Beweise bereits vorliegen, da es mehrere veröffentlichte Metaanalysen zu mehr als 800 Patienten gibt, die in der Vergangenheit an randomisierten Doppelblindstudien teilgenommen haben, die solche Reduzierungen der kardiovaskulären oder Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen in Kombination mit kardiovaskulärer Mortalität zeigen. Und diese Reduzierungen sind mit etwa 40 % oder mehr sehr hoch. Diese Studien waren natürlich nicht in erster Linie auf Ereignisreduzierungen ausgelegt, und die Dauer dieser Studien betrug nur 6 Monate bis 1 Jahr, deshalb machen wir jetzt mehrere größere, ereignisfokussierte klinische Studien. Diese Studien sollten die von Ihnen gerade gestellte Frage detaillierter und effizienter beantworten, und beginnen Ende dieses Jahres mit der AFFIRM-HF-Studie, führen dann zur FAIR-HF-II-Studie und IRONMAN-Studie, und möglicherweise sogar zur Heart-FIT-Studie in den nächsten 2 bis 3 Jahren. Es wird hierzu eine Reihe von Studien geben, aber wir haben derzeit bereits einige Beweise, die sind aber begrenzt und wir brauchen weitere.
Dr. Jankowska:
Wir wissen, dass derzeit viele Patienten an diastolischer Herzinsuffizienz leiden. Was denken Sie über die Gabe von intravenösem Eisen in dieser Population?
Dr. Anker:
Wir wissen, dass mehr als 50 % der diastolischen Herzinsuffizienz-Patienten Eisenmangel haben, und dass bei diesen Patienten der Eisenmangelgrad auch mit der schlechten Leistungsfähigkeit und dem schlechten Symptomstatus zusammenhängt. Wir haben bisher keine Interventionsstudien durchgeführt. Eine solche Studie läuft gerade. Ich bin sehr optimistisch, dass es auch bei diesen Patienten funktioniert, aber wir haben noch keine richtigen Beweise dafür. Es gibt jedoch allen Grund zu glauben, dass es bei diesen Patienten auch funktioniert.
Dr. Jankowska:
Es scheint, dass viele Aktivitäten auf dem Gebiet des Eisenmetabolismus derzeit bei Patienten mit Herzinsuffizienz im Gange sind, aber das ist alles, was wir Ihnen heute sagen können. Dr. Anker, haben Sie abschließende Gedanken oder Anmerkungen, die Sie unseren Zuhörern mitteilen möchten?
Dr. Anker:
Nun, das Wichtigste in diesem Kontext ist, an Eisenmangel zu denken und das Screening durchzuführen. Wenn keine Eisenmangeldiagnose vorliegt, sollte der Patient auch nicht auf Eisenmangel behandelt werden. Schritt Nr. 1 ist also der wichtigste Schritt für alles. Denken Sie an Eisenmangel und diagnostizieren Sie diesen bei Ihren symptomatischen Patienten. Und wenn Sie intravenöses Eisen verabreichen, werden Sie, wie ich glaube, überrascht sein, wie schnell die Patienten darauf positiv reagieren und sich besser fühlen. Das ist etwas, das auch das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt stärkt, indem etwas getan wird, das für den Patienten eine beinahe sofortige positive Auswirkung hat.
Dr. Jankowska:
Da stimme ich Ihnen völlig zu. Dr. Anker, vielen Dank, dass Sie heute zu mir gekommen sind.
Dr. Anker:
Vielen herzlichen Dank.
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